De Kruusboom

Versetzen wir uns ins Jahr 1900 zurück.  Meindorf war zu dieser Zeit ein kleines Bauerndorf mit drei größeren Höfen und an die hundert Häuser.  Einige Einrichtungen im Dorf fehlten, hierzu gehörten Kirche und Friedhof.  Starb ein Meindorfer, musste er auf dem Friedhof in Menden beerdigt werden. Der Weg dorthin führte über den heutigen Lichweg, der in alten Karten deshalb als „Leichenweg“ bezeichnet wird.  Ein Stück hinter dem Dorf stand an diesem Weg ein Heiligenhäuschen.  Es war ein markanter Treffpunkt, der aber nicht Teil des Leichenwegs war.   Solch ein Ort, mitten im Feld, ist ohne Baum ungemütlich, deshalb wurde hier irgendwann auch ein Baum gepflanzt. Der Ort, mit einer Bank die zum Verweilen einlud, war bei den Meindorfern beliebt.  Da das Kind einen Namen braucht, taufte man den Baum „mit sich im Wind kräuselnden Blättern“  auf „Kruusboom“.
Meindorf ist ja für seine Geselligkeit und seine Vereine bekannt, nachvollziehbar, dass die Vereinslandschaft 1980 um einen Kaatklub bereichert wurde.  Kaatklub = kaate = Kartenspiel, für einheimische Alltagsverständigung.  Dieser Kaatklub bestand aus „Halbstarken“ wie es umgangssprachlich damals hieß.
Und Halbstarke hatten mit den Gebräuchen ihrer Eltern nichts am Hut. Hierzu gehörte auch Weihnachten. Man musste zwar an Heiligabend mit den Eltern Bescherung feiern und zur Christmette gehen, das ließ sich auf dem Dorf nicht ändern.  Aber die Jungs fanden eine Lücke.  Später am Abend, wenn Vater und Mutter durch ein Gläschen Wein ruhig gestellt waren, schlich man sich aus dem Haus. Treffpunkt war der Kruusboom. Hier war man unter sich. Der Wein wurde an diesem Ort durch einen Kasten Bier ersetzt und jetzt wurde der Heiligabend erst richtig schön.
Der Brauch bekam Bestand. Irgendwann kam eine Lichterkette in den Baum, versorgt durch 150 m Kabel und verantwortlich für manches Weihnachtsbaumverlöschen im Haus des Stromlieferanten. Aber auch die Meindorfer, die sich dem nächtlichen Brauch nach und nach anschlossen, wurden immer mehr.  Heute sind es über hundert Menschen, die jedes Jahr zu Heiligabend außer unter dem Tannenbaum auch noch unter dem Kruusboom feiern.  Der Glühwein fließt und für einen kleinen Imbiss ist auch gesorgt. Die Lichterkette ist größer geworden und leuchtet in der Vorweihnachtszeit. Der Kaatklub besteht immer noch, auch wenn sich die Mitglieder inzwischen Gedanken um ihre eigenen „Halbstarken“ machen müssen.  Es werden für die am Heiligabend ausgegebenen Getränke und den Imbiss kein Geld genommen.  Trotzdem ist eine Spende gerne gesehen, denn das eingenommene Geld geht seit Jahren an eine Schule in Gambia.  Und damit haben die Kinder dort auch Weihnachten am Kruusboom.  Spenden Sie reichlich, wenn Sie Heiligabend dort sind!
Heutzutage hat die Jugend natürlich auch ihre eigenen Treffpunkte, die Zeiten ändern sich in dieser Beziehung - Gott sei Dank - nicht.