„Schweizer“ ist ein Beruf. Hier lebten sie.
Kennen Sie das „Schweizer Haus“ in Meindorf? Garantiert nicht. Es hat nichts mit dem Land Schweiz zu tun. „Schweizer“ ist eine ehemalige Berufsbezeichnung.
Berufsbezeichnungen gaben in früheren Zeiten oft einen Hinweis auf die Fähigkeiten von Bewohnern eines bestimmten Landes. Bekannt ist ein „Schweizer“ als Mitglied der „Schweizer Garde“ im Vatikan, bekannt waren früher Schweizer auch für ihre Fähigkeiten in der Milchwirtschaft, da dies einer der Haupterwerbszweige der Schweiz war. Schweizer war noch vor 100 Jahren hier in Deutschland ein bekannter Beruf, wer kennt ihn heute noch?
Es waren Fachleute, die Viehzucht und Molkerei zu betreiben verstanden. Sie waren als Experten auf den Höfen gesucht, weil ihre Fachkenntnis zu gesundem Vieh und guten Erträgen beitrugen. Einer der drei großen Höfe in Meindorf, der Hof Brauweiler, verfügte sogar über ein eigenes Haus für die „Schweizer“. Es liegt direkt an der Einfahrt zum Hof, Ecke Liebfrauenstrasse / Bahnhofstrasse. Bis 1970 war das typische Fachwerk des Hauses noch erkennbar, in den 80er Jahren verschwand das Fachwerk unter einem Verputz.
Hier lebten die für Viehzucht und Milchwirtschaft zuständigen Knechte und Mägde. Meindorf hatte in den Siegauen weitläufige Flächen, die nur als Weideland geeignet waren. Also lohnte sich die Produktion von Milch. Das wiederum war personalintensiv. Wollte man hochwertige Milch produzieren, brauchte man Fachleute. Das Handmelken dauerte pro Kuh etwa eine Viertelstunde. Die Tiere mussten zwei Mal am Tag gemolken werden. Im Schnitt konnten 4 Liter Milch, d.h. rund 1500 Liter pro Jahr und Tier, erzielt werden. Im Sommer durch das frische Weidegras mehr, im Winter weniger. In Meindorf gab es um 1880 115 Milchkühe, um 1900 160 und um 1920 nur noch rund 100 Stück. Mitte des 19. Jahrhunderts war es üblich, aufgrund der leichten Verderblichkeit und der schlechten Transportmöglichkeiten, die Frischmilch an Ort und Stelle zu Quark, Butter und Käse weiterzuverarbeiten. Im Dorf wurde sicher, relativ zur gesamten Bevölkerung, viel Milch getrunken, allgemein lag in dieser Zeit der Verbrauch pro Kopf und Tag nur bei einem halben Liter. Bei der „arbeitenden Klasse“ ersetzte die Milch häufig „Fleischkost“. Sie wurde roh, gekocht, gesäuert und mit anderen Speisen vermischt genossen.
Fachleute am Hof wie die Schweizer, gaben aber auch die Gewähr, dass die produzierte Milch fachgerecht und hygienisch einwandfrei verarbeitet wurde. Das Problem der Verunreinigung, Verfälschung oder gar Vergiftung von Lebensmitteln zieht sich durch die gesamte Geschichte der menschlichen Ernährung. Um 1900 waren Verunreinigungen in der Milch nichts Außergewöhnliches. Es gab keine Gesetze, welche die Reinheit der Milch garantierten. Als die Ansteckung mit Tuberkulose über Rohmilch für die Menschen zu einer Gefahr wurde, wurden erstmals gesetzliche Schritte eingeleitet. Am 31. Juli 1930 trat das erste deutsche Milchgesetz in Kraft, das unter anderem die Pasteurisierung, also die Erhitzung und damit Haltbarmachung der Milch, vorsah. Damit war ausgeschlossen, dass von mit Tuberkulose infizierten Milchkühen der Erreger auch auf den Menschen übertragen wurde.